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Gegen das Buch der Politikökonomin Maja Göpel wird vorgebracht, dass sie es offenbar nicht allein schrieb. Darin liegt noch das geringste Problem ihres Traktats. Ihre Wachstums- und Wohlstandsverzichtspredigt von oben steht kurz davor, Staatsdoktrin zu werden.
Ihren Strohpuppen-homo oeconomicus definiert Göpel – wobei sie ihn gleich zum grundsätzlichen Menschenbild aller Ökonomen macht – auf Seite 67: „Der homo economicus kennt keine qualitativen Unterschiede zwischen Ressourcen, keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, keine Kooperation, kein Mitgefühl, keine Verantwortung, weder auf der Ebene des Einzelnen noch auf jener der Gesellschaft, er kennt genaugenommen noch nicht einmal so etwas wie Gesellschaft.“
Was sie hier als angeblichen homo oeconomicus skizziert, hat nichts mit dem Begriff von Mill und dem der Wirtschaftswissenschaften zu tun. Sie beschreibt einen Psychopathen. Wahrscheinlich gibt es Menschen, auf die zutrifft, was sie aufzählt. Im Privat- wie im Wirtschaftsleben würde jemand, der tatsächlich keine Kooperation, keine Gefühle und keine Verantwortung kennt, mit hoher Sicherheit scheitern.
„Niemand wird als homo economicus geboren“, gemeinplatzt das Autorenpaar Göpel/Jauer, „aber man kann Menschen als soziale Wesen durchaus in diese Richtung erziehen, wenn man sie in einem System aufwachsen lässt, in dem ständig belohnt wird, sich wie ein homo economicus zu verhalten.“ Die Menschen, darin besteht die Kernbotschaft des Traktats, können und müssen daher umerzogen werden. Dann wird auch die Gesellschaft gut. Daran, dass sie Deutschland mit seiner Staatsquote von über 50 Prozent und seinen Politikern, die höchstens den Wettbewerb um den größtmöglichen Paternalismus lieben, für den Hort turbokapitalistischer gefühls- und kooperationsunfähiger Egoisten hält, lässt Göpel keinen Zweifel.
Zum anderen vermutet sie in den Menschen ein eigentlich grundgutes Wesen, das nur aus den Fesseln einer falschen Gesellschaft befreit werden muss. „Dann wären Egoismus, Rücksichtslosigkeit und Kaltherzigkeit nicht etwa die kennzeichnenden Eigenschaften des Menschen“, lehrt Göpel, „sondern lediglich das Ergebnis einer Erziehung, die Eigenschaften wie Altruismus, die Fähigkeit zu teilen und Warmherzigkeit unterdrückt.
Intellektuell bewegt sich diese plumpfüßige Erbauungsliteratur so, als hätte es nach Rousseau keine Theorie und keinen Gedanken mehr gegeben. Die „Gesellschaft“ funktioniert nach Göpel als großer Prägstempel, der passive Menschen durch Erziehung in eine schlechte oder künftig eben eine bessere Form drückt. An diverse seit etwa 200 Jahren diskutierte Feinheiten, etwa, dass Menschen durchaus auch die Gesellschaft prägen, in der sie leben, dass Egoismus und Altruismus sich sehr oft in ein und derselben Person mischen, dass Egoismus nicht immer Schlechtes und Altruismus nicht zwangsläufig nur Gutes hervorbringt, kurz, an irgendeinen dialektischen Gedankengang verschwendet das Buch keine Zeile.
Die leicht fassliche Botschaft Göpels und ihres Mitautors lautet also: Bei dem Kapitalismus, wie wir ihn kennen, handelt es sich um eine Veranstaltung gefühls- und verantwortungsloser Individuen, geprägt von einem Leviathan namens Gesellschaft. Kapitalismus bedeutet Wachstum; Wachstum ist schädlich und eigentlich auch wider die Natur des Menschen. Rettung naht, wenn sich diese Menschen künftig mit weniger begnügen. Dann gesunden beide, Bürger und Gesellschaft.
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