Eingefleischte Gewohnheiten lähmen unsere Motivation, etwas Entscheidendes zu verändern — doch das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert.
Wir starren wie gebannt auf die sich häufenden Weltkatastrophen und auf das Fehlverhalten des einen oder anderen Politikers. Dabei bleibt unsere Aufmerksamkeit im Außen, und wir sehen nicht, wie weit wir selbst unbewusst mit diesen negativen Entwicklungen kooperieren. Fest verankerte Denk- und Verhaltensmuster, die uns aus dem tiefsten Inneren heraus täglich leiten und deren komplexen Manipulationen wir uns unbewusst unterwerfen, kommen in der politischen und medialen Debatte praktisch nicht vor. Und dies, obwohl die Basisprogramme fest verankerter Gewohnheiten in schwierigen Zeiten an Einfluss zunehmen und regelrecht Öl ins Feuer gießen. Dennoch werden sie selbst in den psychosozialen Wissenschaftszweigen nicht als lohnendes Forschungsfeld erkannt. Eine brisante Lücke, die gefüllt werden sollte.
Genau dann, wenn es darum geht, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen und eine reflektierte Meinung mit Zivilcourage zu vertreten, macht uns der dominierende Denkapparat einen Strich durch die Rechnung, indem er den Spieß umdreht und diesen gegen uns selbst richtet. Umso heftiger, wenn unsere Meinung nicht den offiziellen Vorgaben und Haltungen entspricht oder sich nur an deren Rändern bewegt.
Deswegen bringt es rein gar nichts, verunsicherten Menschen, die sich in diesem Dilemma befinden, mangelnde Zivilcourage oder unreflektierte Meinungsanpassung vorzuhalten und ihnen „gute“, aber absolut wirkungslose Ratschläge zur Veränderung anzubieten, ohne die automatischen Abläufe dieser wirkmächtigen Systeme zu kennen! Entscheidend ist, nicht nur unsere psychischen Grundlagen zu kennen, sondern wie und auf welchen Wegen sich automatisierte Abläufe und Verhaltensstrukturen im alltäglichen Beziehungsumgang gebildet haben und es schaffen, ihre Einflussmacht zu behalten.
Dieselben Werkzeuge, die uns der Reflexion und Differenzierung dienen, mutieren blitzschnell zu einem unbarmherzigen und aggressiven Machtkomplex, der die innere Grundidentität sofort verteidigt, wenn etwas auftaucht, was ihre Stabilität zu bedrohen scheint
Weder wirtschaftliche, politische noch andere Machteliten hegen ein Interesse, ihre eigenen dominierenden Positionen und Ordnungsstrukturen und deren unterlegte Ideologien und Denkmuster grundsätzlich zu hinterfragen. Noch weniger möchten sie eine Änderung in einem demokratisch-aufklärerischen Sinne herbeiführen und dabei die Stabilität ihrer hierarchischen Strukturen aufs Spiel setzen.
Solange innere Überlebensprägungen und die darauf beruhenden verkleideten Dominanzkonstellationen — Ratio, Emotionen, angepasste Werte, Überzeugung und Moral et cetera — nicht als ein ums Überleben kämpfendes System wahrgenommen werden, solange steuern sie uns und nicht umgekehrt.
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