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Die Proteste gegen Macrons Rentenreform eskalieren, aber im Westen wird die explodierende Polizeigewalt nicht kritisiert. Daher zeige ich hier, wie in Russland über die Gewaltexzesse in Frankreich berichtet wird.
Macron hat sich endlich entschlossen, sein erstes Interview zu geben – er wollte sich dem Volk wegen der unter Umgehung des Parlaments beschlossenen Rentenreform erklären. Was ist das eigentlich für eine Demokratie? Aber Macron sagte, er habe nicht vor, einen Rückzieher zu machen. Die Reform zur Erhöhung der für die volle Rente erforderlichen Lebensarbeitszeit von 43 Jahren wird fortgesetzt. Macron hat auch nicht vor, die Regierung zu entlassen.
Am nächsten Tag brachten die Gewerkschaften mehr als eine Million Demonstranten auf die Straße. Die Zusammenstöße mit der Polizei waren die heftigsten seit den Studentenunruhen von 1968, als Präsident De Gaulle gestürzt wurde. In Paris wuchsen Barrikaden und brannten Feuer. Die Lage war so schlimm, dass Macron den englischen König Charles III. angerufen und ihn gebeten hat, den geplanten viertägigen Besuch in Paris abzusagen.
Es gibt Straßenschlachten mit dem Lärm von Blendgranaten und Feuerwerkskörpern, der wichtigsten und wirksamsten Waffe der aufständischen Jugend. Auf sie geht die Polizei als erstes los, wenn sie mit Anlauf in die Menge stürmt. Die demokratische Auflösung der französischen Proteste erfolgt mit Schlagstöcken und Tränengas. In wenigen Minuten wird dieser ganze Platz in Rauch gehüllt sein und die Menschen reagieren natürlich mit Steinen und Pflastersteinen – mit allem, was sie in die Finger bekommen.
Die Gewerkschaften versichern, dass noch nie in den letzten 50 Jahren so viele Menschen auf die Straße gegangen sind, wie aus ihren Zahlen hervorgeht: 3,5 Millionen Menschen waren es an diesem Donnerstag. Das ist der neunte nationale Protest. Es hat sich aufgeheizt. Der gewohnte hohe Lebensstandard sinkt immer weiter. Man muss sparen und das Geld zählen, denn die Lebensmittelpreise steigen, die Zahl der Armen, die von Gratismahlzeiten leben, nimmt zu. Die Entscheidung, gewaltsam das Rentenalter um zwei Jahre anzuheben und die sozialen Ausnahmen abzuschaffen, ohne die Meinung des Parlaments und der Gesellschaft zu berücksichtigen, scheint die Geduld gesprengt zu haben. Zurückweichen können die Franzosen nicht, sie haben beschlossen, dass es Zeit ist, dass sich etwas ändert oder jemand ausgewechselt wird.
Spontane Proteste gibt es jeden Tag. Wegen der Blockade der größten Erdölraffinerien geht den Pariser Flughäfen das Kerosin aus und sein Auto zu betanken ist in verschiedenen Regionen des Landes bereits ein Problem. Die Regierung versucht, die Menschen zu zwingen, zur Arbeit zu gehen, und gibt die strategischen Treibstoffvorräte frei. Die Staatsbediensteten streiken.
Feuer, Ruß und Gestank, die Behörden der Region Ile-de-France bringen zusätzliche Feuerwehrbrigaden in die Hauptstadt. Aber die werfen ihre Schläuche weg und schließen sich den Demonstranten an. Kioske brennen, Schaufenster werden eingeschlagen, Baugerüste und Zäune werden zu Barrikaden umfunktioniert. Die Popularität des Präsidenten stürzt ab, für seine außenpolitische Agenda interessiert sich kaum noch jemand, und bisher gelingt es ihm nicht, die Unruhen gewaltsam niederzuschlagen. Aber andere Vorschläge hat er nicht.